Abschätzung nach GUM

AQS-BW - Messunsicherheit

Der Prozess der Messunsicherheitsabschätzung kann in 4 Stufen eingeteilt werden.

Messunsicherheitsbudget nach GUM

Die Abschätzung der Messunsicherheit ist in zahlreichen Dokumenten beschrieben. Als zentrales Dokument ist hier der ISO-Guide to the expression of uncertainty in measurement hervorzuheben, dessen Anwendung in vielen anderen Papieren erläutert ist. Für den Bereich der chemischen Analytik ist dies im EURACHEM/CITAC-Guide Quantifying Uncertainty in Analytical Measurement geschehen, von dessen vorheriger Auflage ebenfalls eine deutsche Übersetzung vorliegt.

Der Prozess der Messunsicherheitsabschätzung kann in 4 Stufen eingeteilt werden:

Bezogen auf eine Unsicherheitsschätzung erfordert die " Spezifikation der Messgröße" einerseits eine klare und unzweifelhafte Darstellung, was zu messen ist und andererseits einen quantitativen Ausdruck, der den Wert der Messgröße auf die Parameter, von denen er abhängt, bezieht. Nur so ist gewährleistet, dass möglichst alle Unsicherheitsquellen identifiziert werden können. Der “quantitative Ausdruck” soll als Formel beschreiben, wie ein Parameter mit der Messgröße zusammenhängt, z.B. nach folgender Gleichung.

https://aqs.iswa.uni-stuttgart.de/mu/image/mu_abs1.gif

Parameter, die nicht direkt in das Messergebnis eingehen, aber dennoch zur Unsicherheit des Resultats beitragen, können als Faktoren einbezogen werden, die den Wert 1 mit einer zu quantifizierenden Unsicherheit haben. Aus dem Zusammenhang zwischen den Einzelparametern ist es möglich, den Einfluss der jeweiligen Größen auf die Gesamtunsicherheit zu erfassen.

In der vorhergehenden Stufe wurde ermittelt, aus welchen Parametern sich die Messgröße zusammensetzt. Jetzt muss ermittelt werden, welche Quellen von Unsicherheiten diese Einzelparameter haben. Beispielhaft seien hier aufgeführt:

  • für Wägungen: z.B. Kalibrierunsicherheit der Waage, Präzision der Waage, Auftriebskorrektur
  • für Volumenmessungen: z.B. Kalibrierunsicherheit des Volumenmessgeräts, Ablese-/Füllgenauigkeit, Temperatur,
  • Reinheit der Chemikalien
  • für hoch genaue Messungen: Unsicherheiten der Tabellenwerte von Dichten, Atomgewichten etc.

Zur graphischen Darstellung der Zusammenhänge kann man so genannte Fischgrätdiagramme erstellen, die die Zusammenhänge darstellen, z.B. für eine Säure/Base-Titration:

Fischgrätdiagramm
(aus EURACHEM/CITAC-Guide)

Die Unsicherheitsbeiträge sollen nun alle auf dem Vertrauensniveau der Standardabweichung quantifiziert werden. Bei Beiträgen, die aus statistischen Daten ermittelt werden oder bei denen aus anderen Gründen eine Normalverteilung angenommen werden kann, wird die Standardabweichung direkt als Standardmessunsicherheit verwendet. Werden Mittelwerte aus mehreren Messungen verwendet, ist hier die Standardabweichung des Mittelwerts (also s/√n) einzusetzen. Ist über die Verteilung der möglichen Werte nichts bekannt, z.B. bei der Spezifikation des Volumens eines Volumenmessgeräts oder bei der Reinheit einer Substanz, so kann eine Rechteckverteilung angenommen werden. Dann ergibt sich die Standardabweichung durch Division der halben Breite durch Wurzel aus 3. Ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sich der Wert in der Nähe der Mitte des angegebenen Intervals befindet, kann man auch eine Dreiecksverteilung annehmen. Dann ist die Standardabweichung gleich der halben Breite, dividiert durch Wurzel aus 6.

Die Standardunsicherheiten der Einzelparameter müssen jetzt in Unsicherheiten des Messergebnisses, bedingt durch den Einfluss der Unsicherheit des Einzelparameters umgerechnet werden. Hierbei muss also berücksichtigt werden, wie stark sich die Unsicherheit des Parameters auf die Unsicherheit des Ergebnisses auswirkt. Diese Empfindlichkeitskoeffizienten können für alle Parameter der Eingangsgleichung aus Stufe 1 durch partielle Differentation der Gleichung nach diesem Parameter bestimmt werden. In dem EURACHEM/CITAC-Guide ist auch eine numerische Berechnung beschrieben. Nach Multiplikation der oben quantifizierten Unsicherheitskomponente für den Parameter P mit seinem Empfindlichkeitskoeffizienten erhält man also den Standardunsicherheitsbeitrag für das Messergebnis, der durch den Parameter P bedingt ist.

Diese Standardunsicherheitsbeiträge werden nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz zu einer kombinierten Standardunsicherheit zusammengeführt:

Fehlerfortpflanzung

Um zu einem höheren Vertrauensniveau der Unsicherheitsangabe zu kommen, wird die kombinierte Standardunsicherheit nun noch mit einem Erweiterungsfaktor multipliziert. Der meist verwendete Erweiterungsfaktor k=2 ergibt ein Vertrauensniveau von ca. 95%.

 

Das Verfahren zielt darauf ab, zunächst alle Unsicherheitsquellen zu erfassen, deren Beiträge dann als Standardunsicherheiten zu quantifizieren (d.h. faktisch als Standardabweichung), diese Einzelkomponenten zu einer Gesamtunsicherheit zusammenzufassen und schlussendlich durch Berechnung der erweiterten Unsicherheit das zugrunde liegende Vertrauensniveau auf einen relevanten Wert zu erhöhen.

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